In Kürze: Worum geht es?
Wir stellen ein einzigartiges und kostenloses Weiterbildungsangebot für pflegende Angehörige vor. In massgeschneiderten Trainings können Sie lernen, wie Sie die Bewegungskompetenz und damit die Selbständigkeit Ihrer Liebsten bewahren.
In der “Lernwerkstatt für pflegende Angehörige” namens Wirkstatt LQ werden pflegende Angehörige mit dem Wissen befähigt, Ihre pflegebedürftigen Nächsten wirksam zu betreuen, ohne dass diese ihre Selbständigkeit verlieren und die eigene Gesundheit schützen. Man lernt zu pflegen, ohne zu heben.
Zum Beispiel können Sie lernen, wie man richtig beim Aufstehen hilft oder Stürze vermeidet.
Das Angebot wird vor Ort (aktuell in Siebnen, Schwyz), im Zuhause der Klienten und online angeboten.
Zu Besuch bei der Wirkstatt LQ…
Kürzlich durfte das Team der Familienspitex die Wirkstatt LQ, ein Pilotprojekt der stiftung lebensqualität, besuchen. Empfangen wurden wir von Stefan Knobel (Präsident der stiftung lebensqualität und Präsident des Spitex Kantonalverbands Schwyz) und Rebekka Knobel (Projektleiterin).
Vorweg: LQ steht für Lebensqualität und ist eine der zwei wichtigen Abkürzungen dieser beeindruckenden Organisation. Die andere ist “SS” - das steht für Selbständigkeit.
Lebensqualität und Selbständigkeit von pflegebedürftigen Menschen bewahren
Die Lebensqualität und Selbständigkeit von pflegebedürftigen Menschen bewahren - oder gar steigern: Das sind Anliegen, die pflegende Angehörige gut kennen.
Doch nicht immer gelingt es ihnen, diese ohne fremde Hilfe umzusetzen. Das demonstrierte das Team der Wirkstatt LQ gleich zu Beginn durch eine kleine Praxisübung…
Wie hilft man richtig, aufzustehen?
Wir sollten uns auf einen Stuhl setzen.
Zuerst mussten wir selber aufstehen. Dabei wurde uns der Bewegungsablauf klar gemacht: Man lehnt den Kopf und den Oberkörper nach vorne. Dann drückt man die Beine nach oben. Natürlich macht man diesen Bewegungsablauf im Alltag intuitiv und ohne ihn aktiv zu bemerken.
Jetzt halfen uns die Fachleute der Wirkstatt, aufzustehen und unseren Bewegungsablauf mit fremden Berührungen nachzuvollziehen. Mit wenig Kraftaufwand “begleiteten” sie uns sanft beim Aufstehen. Wir bemerkten nun eben diese Vorwärtsbewegung.
Zuletzt zeigten sie uns, wie Laien Menschen helfen, von einem Stuhl aufzustehen: Sie zogen uns - mit ein wenig unangenehmen Druck - an den Armen hoch. Das war für die Helfer ein ziemlicher Kraftaufwand. Und für uns war der Zug an den Schultern unangenehm… Warum? Weil es nicht der natürlichen Bewegung nach vorne entspricht.
Wir lernten: Dieses Hochziehen ist aus kinästhetischer Sicht völlig falsch. Die Personen, die Hilfe erhalten, bewegen sich in die falsche Richtung (nach oben statt nach vorne).
So fördert man die Unselbständigkeit - wenn auch ungewollt! Denn durch solches “Aufziehen” verlernen pflegebedürftige Menschen, wie man selber richtig aufsteht.
“Besser ist es, den Menschen einen zweiten Stuhl vorne hinzustellen und ihnen zu zeigen, wie sie sich selbst hochdrücken können,” erklärten die Fachleute.
Diese Übung dauerte nur 5 Minuten und befähigte uns, richtig aufstehen zu helfen.
Lernen, wie man kinästhetisch pflegt
Und darum geht es in der Wirkstatt LQ: Pflegenden Angehörigen effektive Methoden zu zeigen, mit Hilfe derer sie ihre persönliche Pflegequalität verbessern können.
Den pflegenden Angehörigen / Familien wird ein Coach zugewiesen. Diese/dieser gibt individuelle Unterstützung, um die alltäglichen Aktivitäten richtig zu gestalten. Dabei werden individuelle Lösungen entwickelt.
“Für jede Familie wird eine individuelle Lösung angeboten.”
Es ist wichtig zu betonen, dass kein Kurs angeboten wird, der für alle das gleiche beinhaltet und mit viel Theorie daherkommt. Stattdessen werden für jede Familie individuelle Schwerpunkte erkannt und dann mit vollem Körpereinsatz bearbeitet.
In der Wirkstatt hat es dazu Hilfsmittel wie Stühle, Matten oder ein Bett, wo Praxiswissen direkt angeeignet wird.
Richtig stürzen: das kann man lernen!
Nun ein Beispiel: Eine betagte, zuhause wohnhafte Person hat ein erhöhtes Sturzrisiko (wie bekannt ist, ist dies eine häufige Gefahr im Alter. Lesen Sie dazu auch unseren Artikel: …).
Die Coaches der Wirkstatt üben mit der Familie, wie man richtig stürzt. Mit “richtig stürzen” ist gemeint, dass Menschen, die den Weg vom Stehen ins Liegen am Boden und umgekehrt kennen oder wieder erlernen. Wenn man diese Bewegungsmuster verinnerlicht, verliert man die Angst vor dem Boden und aus einem Stürzen wird ein Fallen. Das kann man auch noch im Alter und wenn man etwas “wacklig” auf den Beinen ist, erlernen.
“Durch richtiges Stürzen können schwere Unfälle im Alter verhindert werden.”
“Durch richtiges Stürzen können schwere Unfälle im Alter verhindert werden,” sagt Stefan Knobel, und zitiert beeindruckende Statistiken von Pflegeheimen, wo durch Sturztraining die Verletzungsgefahr massiv gesunken ist.
... oder: Wie steigt man eigentlich in die Badewanne ein?
Ein weiteres Beispiel, das viele pflegende Angehörige kennen, ist das Thema Baden. Konkret: Wie steigt man richtig in die Badewanne? Wie hilft man richtig, sich zu waschen?
Auch hier ist die Hilfe, die man intuitiv gewährt, nicht unbedingt die beste. Der Ansatz der Experten der Wirkstatt LQ ist - wie zu erwarten - sehr “hands on”. Man bittet zunächst einmal die Angehörigen, in die Badewanne zu steigen, um sich die Bewegungsabläufe selbst vor Augen zu führen.
Kompetenz erlernen
Das Wort, das Stefan Knobel gerne benutzt, ist “Kompetenz”: Durch die Hilfe der Wirkstatt LQ sollen pflegende Angehörige die Kompetenz aufbauen, richtig zu pflegen. Richtig bedeutet eben mitunter: die gepflegte Person bleibt selbständig.
Mit anderen Worten: Durch den natürlichen Bewegungsablauf nachempfundenes Aufstehen (vgl. oben) verlernt die beholfene Person nicht, wie man sich natürlich bewegt.
Kinästhetik: die Lehre davon, sich richtig zu bewegen
Was hier geschrieben wurde, entstammt der Lehre der Kinästhetik. Kinästhetik ist die Lehre der Bewegungsempfindung. Kinästhetik in der Pflege bedeutet, dass die Bewegung von Patienten schonend unterstützt wird.
Das heisst, dass man beim Lehren, wie man Pflegt, auf die natürlichen, in der Natur des Menschen vorhandenen Bewegungsabläufe achtet. So gelingt schonendes Helfen - und zwar schonend für beide Seiten.
Eine grosse Vision
Die Wirkstatt LQ versteht sich als Puzzleteil der ambulanten Versorgung der Schwyzer respektive Schweizer Bevölkerung. Im Zusammenspannen mit den Spitexen, Organisationen wie Rotem Kreuz und Pro Senectute und privaten Anbietern soll die alternde Bevölkerung befähigt werden, (mit Hilfe von pflegenden Angehörigen) möglichst lange zuhause zu bleiben.
Das Projekt soll nach der Pilotphase 2025 schweizweit ausgerollt werden.
Hilfe, wo man sie will: in der Wirkstatt, Zuhause und Online
Die Wirkstatt bietet ihr Angebot an verschiedenen Orten an. In Siebnen (Schwyz), im Zuhause und Online.
Hinter dem Online-Angebot versteckt sich eine einfach zu bedienende soziale Plattform, auf welcher Familien das Gelernte miteinander teilen und die Pflege der/des gemeinsamen Angehörigen miteinander koordinieren können.
Zum Beispiel kann man auf der Plattform Videos hochladen, die das Gelernte (“Wie steigt man richtig in die Badewanne?”) festhalten. So wird eine ganze Familie befähigt, für eine gepflegte Person gemeinsam möglichst ohne Koordinationsaufwand und optimal zu sorgen.
Natürlich ist der Account einer Familie streng geschützt und persönliche Daten sind nicht für Dritte zugänglich.
Wie können pflegende Angehörige das Angebot nutzen?
Pflegende Angehörige können ganz einfach die Wirkstatt LQ kontaktieren, um Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das Einzugsgebiet ist die Region Oberer Zürichsee, Linthgebiet und steht nicht nur pflegenden Angehörigen im Kanton Schwyz offen.
Kaffee-Austausch: 1 x pro Monat am Freitag-Nachmittag
Ausserdem möchten wir auf das Bewegungscafé hinweisen, das jeden 3. Freitag im Monat von 14:00 bis 16:00 Uhr geöffnet hat.
Am Besten schauen Sie einfach einmal vorbei und überzeugen Sie sich selbst vom wirkungsvollen Angebot der Wirkstatt LQ.
Hier geht es zur Website der Wirkstatt LQ.
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